Sonntag, 16. September 2012

DJ Kamikaze DJ Mem-Brain: Triple Mixtape

Wir schreiben das Jahr 2002. In Hip Hop Deutschland ist Langeweile ausgebrochen. Der Hamburg-Hype um Eimsbush ist gerade langsam am abklingen und dass in Berlin ein neuer King of Rap auserkoren wurde, hat sich (noch) nicht bis in die hinterste Dorfdisko der Rapublik herumgesprochen.

Just in dieser Zeit beschließen die beiden DJs Kamikaze und Mem-Brain gemeinsame Sache zu machen. Der eine hat gerade mit den Karlsruher Jungs vom Aufnahmezustand an einem sonnigen [sic] Freitagmittag das Splash eröffnet, der andere tourt mit MC Rene durch die Lande – damals wahrscheinlich noch ohne BahnCard100. Bei diesem Tape besinnen sich die beiden auf Ihre Wurzeln: Den BoomBap Rap der Golden Era, vorzugsweise vorzufinden in der Stadt, die niemals schläft.

Die Idee ist denkbar einfach: Man nehme die Rap Heroender Jugend und suche sich die drei Lieblingstracks eines jeden Protagonisten, was bei dem Aufgebot an Klassiker, die ein Mr. Carter oder ein Mr. Jones schon vor zehn Jahren vorzuweisen hatten, zugegebenermaßen eine kleine Herausforderung darstellt. Ist die Songauswahl erst einmal bewältigt, kommt ein Tape namens Triple zum Vorschein.

Der Name ist Programm. Das Beatnuts-Beat-Intro und eine schöne Frauenstimme zeigen schon mal, was man sich die nächsten 2 x 45 Minuten musikalisch erwarten kann, und dein Lieblings-Crate-Digger Big L darf den Reigen eröffnen: Put It On, We Got This, Flamboyant. Es reiht sich Hit an Hit an Hit. Weiter gehts mit GangStarr und aus heutiger Sicht scheint es geradezu grotesk, dass derjenige, der uns zu lauten “Big L, Rest In Peace”-Rufenaufgefordert hat, nun selbst in Frieden ruht. Einen großen Teil der Seite A beanspruchen die Jungs vom Hit Squad für sich. Wie ich finde auch völlig zurecht, hat das Kollektiv um EPMD, Redman, Das Efx und Keith Murray doch zu Beginn der 1990er Jahre den Sound einer ganzen Dekade geprägt. Nas gibt uns mit „Got Urself a Gun“ einen Hinweis darauf, dass sein zweiter Frühling gerade erst im Entstehen begriffen ist und Mobb Deep, dass ihr Zenith mit Erscheinen der Infamy LP wohl bereits überschritten ist. Seis drum, gemixt ist es trotzdem 1A. Rah Digga braucht sich – und das ganz ohne Frauenquote –skilltechnisch nicht hinter ihren männlichen Kollegen zu verstecken und Fat Joe zeigt, dass mit seinem Umzug nach Miami wohl auch ein Teil seiner Rap Skills aus dem Lear-Jet gefallen sind. In Hip Hops Geburtstätte hat er jedenfalls besser gerappt. Das Ende der A-Seite bestreitet DIE französische Rapgruppe IAM. Hier zeigt sich, dass Kamikaze über die Grenzen Badens hinaus ein Social Network geknüpft hat, obwohl dieser Begriff, zu einer Zeit, in der man Freundschaftsanfragen noch mündlich aussprechen musste, noch gar nicht existierte.

Tape raus, rumdrehen, Tape rein, drück auf Play: Zu Beginn der B-Seite weicht das Konzept leicht ab, der Beat steht hier im Vordergrund, darf er auch, er ist ja sozusagen die “Definition” eines guten Beats. Bei Common machts Sinn, einfach entspannt zuzuhören,während man die Punchlines bei Jay-Z und Biggie einfach mitrappen muss. Die Ten Crack Commandments kann ich in- und auswendig, bei den Zehn Geboten wirds da schon etwas schwieriger. Apropos Religion - die Gottheiten der Beatproduktion, besser bekannt als The Neptunes, beweisen mit einem Track für die mittlerweile als Tha Liks firmierende West Coast Truppe, dass man sie ab sofort auf dem Schirm haben muss. Zwischendurch singt die Queen of Hip Hop Soul von Herzschmerz, die Herren aus Staten Island geben Weisheiten der Shaolin zum Besten und Mr. Cheeks von den Lost Boyz erzählt von seiner verrückten Welt. Diese musikalische Vielfalt muss man erstmal richtig zu mixen imstande sein, Respekt! Zehn Minuten vor Schluss drehen Mr. Mef und Reggie Noble nochmal richtig am Zeiger, während bei Big Pun unnötigerweise einen Gang runtergeschaltet wird.

DJ Kamikaze und DJ Mem-Brain haben hier ein Tape abgeliefert, welches auch ein Jahrzent nach seiner Erscheinung durchaus hörenswert ist und die Bezeichnung Mixtape durchaus verdient. Dieser Meinung waren auch die Freunde von der JUICE und kürten Triple zum Mixtape des Monats. Die älteren Zuhörer unter uns haben wohl zu fast allen Tracks eine persönliche Erinnerung, ihren Hip Hop Moment. Für den Nachwuchsbietet das Tape einen Querschnitt an Beats und Raps, von denen man nach wie vor mal gehört haben sollte - ein Tapedeck vorausgesetzt. Allen anderen dürfen das Mixtape auf SoundCloud anhören. Viel Spass!


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